Die Große Chronik I

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Chronica Maxima a Evarsgorhe
So lautet der Titel der Großen Chronik im Original und betitelt ein umfassendes philosophie-geschichtliches Werk von Baraghir Calression, welches eine neue Variante der Schöpfungsgeschichte erzählte und ist in Dùath entstanden und der als Bibliothek Dùath bekannte Hort des Wissens ist bis jetzt der einzige Ort, wo Original und Abschriften (die einzige Ausnahme bildet eine Abschrift in der Bibliothek zu Eleorath aufbewahrt und wie ein Schatz vom Verfasser persönlich gehütet werden. Sie ist so umfassend, dass sie in zwei Bänden niedergeschrieben ist.

Band 1

Vorwort des Verfassers, Baraghir Calression, Exilkönig zu Trigardon, niedergeschrieben im Jahre 137 des Drachen im dritten Äon

Das Haus Calression war seit jeher das politische und spirituelle Oberhaupt des trigardischen Volkes. So stellten sie unter anderem Astronomen, Schriftgelehrten, Propheten, Priester, Philosophen, Weisen und mitunter sogar die Könige. Seit Beginn der Familienchronik gab es niemals eine Generation der Calressions, in der sich nicht Einer von diesen einer dieser Aufgaben gewidmet hätte. Ein Calression zu sein bedeutete mehr zu sein als ein Mitglied des Hochadels von Trigardon oder Trutzburg, wie sie die Menschen in der allgemeinen Sprache nennen, zu sein. Es bedeutete, etwas leisten zu müssen. Meine Leistung wird es nun sein, da ich den Möglichkeiten Trigardons nach seiner Zerstörung beraubt bin, unseren Schöpfungsmythos niederzuschreiben oder Beschreibungen alter trigardischer Gelehrter zusammenzutragen und so eine neuerliche Chronik der Geschicke zu fertigen, welche nicht im Feuer des Drachen verging.

Der Prolog

„Wildes, weites Land,
alle Bosheit gebannt.
Dumpfe Leere, siehe,
das Leben, es gediehe.
Doch Bosheit erschien,
Furcht ist nicht geziem.
Der Tod, rasch er komme,
Erlösung, welch Wonne.“'

Auszug aus dem trigardonischen Heldenlied „Berserkerwut“ , gesungen am Vorabend der Schlacht. Überliefert durch: Kolir Calression, Sohn des Haradir, erster trigardonischer Exilkönig im Jahre 3 des Drachen nach trigardonischer Zeitrechnung im dritten Äon.

Die Sonne stand tief am Horizont und glühte rot. Rot waren auch die Felder der Kuchk-Walih-Ebene. Getränkt vom Blut der Gefallenen. Der Gestank der Verwesung bereitete sich aus, die Schädelkrähen weideten sich an den Kadavern. Hier und da pickten die verhassten Vögel ein Auge aus der Leiche eines gefallenen Elfenkriegers, woanders zogen sie Fingernägel vom Nagelbett eines Menschen, zerfraßen Lippen und Ohrläppchen eines Zwergs. Der Anblick, der sich einem Betrachter von einem Schlachtfeld bot, über das die Schädelkrähen hergefallen waren, war kein erfreulicher. Es hieß, dass selbst die tapfersten und aufrechtesten Recken beim Anblick eines Freundes, der von diesem widerlichen Getier geschändet worden war in Tränen ausbrachen und heulten wie ein Balg, welches beim Klettern von einem Baum gestürzt war.

Doch das, was diesen Anblick so unerträglich machte waren nicht einmal die geschändeten Leichen der Elfen, Zwerge, Menschen, Gnome und Halbelfen, sondern die unversehrten Kadaver solch dreckiger Kreaturen wie Oger, Orks, Kobolde, Rattenmenschen und Goblins auf einem Schlachtfeld. In ihrer Pein dachten diese gequälten Seelen, dass es das Werk eben dieser Kreaturen war, die diese Leichen so zugerichtet hatten und wenn diese Recken das Schlachtfeld wieder verließen, waren auch die Leichen von Ork und Oger geschändet und verstümmelt. Dieses Mal jedoch von einem freien Wesen, keinem widerwärtigen Vogel.

Dies war mehrere Stunden später, vermutlich am nächsten Morgen, auch genau so, als die Überlebenden nacheinander auf das Schlachtfeld kamen und die schlimmsten aller nur erdenklichen Flüche zu dem Abschaum, zu diesen Kreaturen, diesen Bestien, der anderen Seiten hinüber schrieen - um sie für diesen perversen Frevel zu verfluchen. Und niemand hörte das raue Krächzen der Schädelkrähe hoch oben in den Wolken, die, aus welch Gründen auch immer, keine dreckige Kreatur, keinen Vertreter der unfreien Völker anrührten.

Doch war diese Schlacht, der Grund, weshalb die Schädelkrähen über den Feldern kreisten und die Ebene ein einziger Blutacker war – getränkt in rotem und schwarzem Blut – schon seit über einem Tag vorbei und immer noch waren keine Totengräber eingetroffen auf diesem Acker des Grauens.

Der Grund hierfür war ebenso schlicht wie schockierend: Es gab im Umkreis von fast zwei Tagesreisen niemanden, der die Toten hätte begraben können. Frauen und Kinder waren geflohen, die Männer waren gefallen.

Die Knaben waren es, die als erstes auf dem Schlachtfeld erschienen. Notdürftig gerüstet mit Dreschflegel, Sense, Holzknüppel, Kleinbeil, und Fährtenmesser. Und dann, irgendwann, eine Woche später, trafen die ersten Kerle ein. Viele von ihnen hatten die Gicht in den Knochen, manch anderer trug eine Augenklappe mit Stolz. Doch ganze Kerle, die angesichts ihrer toten, verstümmelten Freunde in Tränen ausbrachen, die bekam man auf diesem Schlachtfeld nicht mehr zusehen. Zumindest sah man sie nicht mehr lebend.

Gewaltig war sie gewesen, diese Schlacht. So gewaltig, dass man sich sicher sein konnte, dass es eine solche noch nie zuvor gegeben hat. Und sich auch nicht sicher kein konnte, ob es jemals eine gewaltigere, epischere Schlacht würde geben können. Eine Entscheidungsschlacht hatte es werden sollen.


I. Der Beginn des Anfangs – der Streit der Zwei

Begonnen hatte dies alles vor unzähligen von Jahren. Vor Äonen. Zu Zeiten, als die Welt noch jung und namenlos gewesen war. Noch vor der Zeit der Zehn Götter, vor der Zeit der Drachenkriege und weit vor dem Fall der Elfen. Zu Zeiten, als die Geschichte der Welt noch eine Legende war. Zu einer Zeit nämlich, als es noch nichts gab, außer der Welt selbst und denen, die sie erschaffen hatten: Xodamoff und Prandomar. Wie genau die Welt auf der wir nun leben einst entstanden ist, ist eine weitere Ansammlung von Legenden und Gerüchten, über die niemand zu sagen vermag, was nun Legende, was Mythos, was Geschichte und was Wahrheit ist. Doch gibt es eine Erzählung der Ereignisse, von der angenommen wird, dass diese sich so zugetragen haben könnte . Angefangen hat alles mit der Existenz Xodamoffs, dem obersten Gott des Universums, dem Schöpfer aller Dinge und Arten. Dieser war allein – bis es schließlich auch Prandomar gab, der Xodamoff ebenbürtig war, der nun nicht mehr der alleinige oberste Gott war. Doch woher diese beiden göttlichen Wesen kamen, dies vermochte niemand zu sagen.

Doch war es so, dass sich Xodamoff und Prandomar ständig stritten. Resultat dieses Streits war die Welt auf der wir nun leben. Erschuf Xodamoff das Land, so war es Prandomar, der das Wasser schuf. So entstand der Mond als Antwort auf die Sonne, die Nacht auf den Tag, die Höhlen folgten dem Himmel, die Täler den Bergen, die Wiesen den Wäldern, die Ebbe der Flut, die Flaute dem Sturm, die Dürre dem Monsun. Erbost darüber, dass Prandomar ihm ebenbürtig war, erschuf Xodamoff das Leben. Um seine Macht gegenüber Prandomar zu beweisen, schuf er im Medium Prandomars die Fische, doch dieser antwortete mit Vögeln im Himmel. Wieder konnte keiner den anderen übertrumpfen. Schließlich gab es die Elfen, Menschen, Zwerge und Gnome, geschaffen von dem einen und die Orks, Oger, Goblins und Kobolde geschaffen von dem anderen. Die Halbelfen sollte es erst sehr viel später geben. Ebenso wie es die Unterarten eines Volkes, geschweige denn die Feindschaft zwischen den Völkern und Arten, da bereits gegeben hätte. Diese Geschichte ereignete sich zu ganz anderer Zeit.

Nun war diese namenlose Welt eine Welt voller Gegensätze und beide trugen ihren Geschöpfen auf, die jeweils andere Art zu übertrumpfen und so begann auch unter den Völkern des namenlosen Landes ein ständiger Wettkampf – weniger innerhalb der einzelnen Fraktionen als viel mehr gegen die Fraktion des anderen Gottes. Diese beiden Fraktionen nennen wir heute das „Bündnis freier Völker“ und den „Schwarzblutbund“ Wie lange diese Phase der Scharmützel nun andauerte, vermag im Nachhinein niemand mehr zu bestimmen. Einige Gelehrte sprechen lediglich von Jahrzehnten, bestenfalls Jahrhunderten, während andere von mehreren Jahrtausenden oder gar Äonen ausgehen. Doch änderte auch dieser Kampf der Geschöpfe beider Götter nichts an der Pattsituation, die bis zu jenem Zeitpunkt auch schon vorher ungeheuer lang angedauert hatte. Und so trafen Xodamoff und Prandomar eine Entscheidung.


II. Der Beginn der Schlacht

Diese Entscheidung sah vor, dass das, was über unbekannte Zeit im kleinen Maßstab nicht hatte geklärt werden können, nun im großen Maßstab geklärt werden sollte. Und so kam es, dass das Land, welches immer noch keinen Namen trug, Aufmarschplatz gewaltiger Heere wurde. Denn der göttliche Plan sah vor, dass nun endgültig in einer gewaltigen Schlacht zwischen den Völkern beider Gottheiten entschieden werden sollte, wer denn nun der mächtigere der Beiden war.

Schlachtfeld war die riesige Ebene, die heute den Namen Kuchk-Walih trägt, was in der Gemeinsprache soviel wie „Blutfelder“ bedeutet. Denn diese Ebene war so voller Blut, als die ersten Totengräber eintrafen, dass ihnen nur diese Bezeichnung dafür einfiel.

Wochenlang wurden Rüstungen geschmiedet, Schilde bespannt, Klingen geschärft und Pfeile gespitzt.

Und in einer regnerischen Nacht war es dann soweit. Der Heeresbund der freien Völker marschierte gegen das Schwarzblutbündnis in die Schlacht. Zehntausende, Hunderttausende auf beiden Seiten waren es, die gegeneinander stürmten. Elf gegen Ork. Mensch gegen Oger. Zwerg gegen Goblin. Gnom gegen Kobold.

Noch heute erzählt man sich Gedichte, singt man Lieder über die Heerführer und Hauptmänner, die in dieser Schlacht ihre Namen unvergessen machten.

Mit Stolz in der Stimme und einem Glänzen in den Augen erzählte man von Gifalad, dem König des Elfenvolkes. Langes blondes Haar und blaue Augen, wie die See, soll er gehabt haben, versehen mit einer klaren, kräftigen und doch lieblichen Stimme, die Freund motivierte und Feind ängstigte. Sein Schwert strahlte immer in hellem Glanz, wenn die Sonne schien. Und selbst im Verlauf dieser ersten Nacht der Schlacht glänzte Ulfidor-Galadil in einem urtümlichen Licht.

Seine beiden Stellvertreter, die Zwillinge Efahlion und Lufahlion waren Meister der Schießkunst. Jeder Pfeil, der ihre Bogensehne verließ, war ein Treffer und jeder Treffer tödlich. Golden war das Schimmern ihrer Rüstungen, schön waren ihre Gesichter. Grausam ihr Tod.

Denn diese drei Vertreter des schönen Volkes fielen, ebenso wie alle anderen auch, im Kampf gegen die Orks. Ihr Hauptmann, Shábana’ch, ein groß gewachsener, schlitzäugiger Kerl und weißen Haaren war es, der Gifalad gefällt hatte und von diesem gefällt wurde. Ebenso verhielt es sich mit Efahlion und Lufahlion, fielen diese doch durch die Hände Lushzos’ und Derzuks, den beiden besten Bogenschützen in den Reihen der Orks. Der Zufall wollte es, dass alle vier gleichzeitig die Sehnen singen ließen und alle vier gleichzeitig getroffen wurden und tot zu Boden sackten. Genauso verhielt es sich mit Gruffdo und Herbador: Oger und Mensch, die sich gegenseitig töteten. Ulfain und Borgâz umklammerten einander noch im Tod. Zwerg und Goblin hatten sich im Patt getrennt. Und auch Pazif und Fitz, Kobold und Gnom von der Rasse, schafften es nicht, den jeweils anderen zu überleben.

Und so ging es überall, die ganze Schlacht über. Es gab zwar diese und jene, die einen Kampf überlebten und mehrere Gegner fällten. Doch gab es dieser Krieger genug auf beiden Seiten und letztendlich bissen sie alle ins Gras, starben letztendlich an ihren Verwundungen, die sie während der Schlacht erlitten hatten.


„Gifalad, Schönster unter des schönes Volkes schöner Recken.
Musstest grausam durch das Schwert Shábana’ch’s verrecken.
Blutverschmiert dein Haupt, zerschlagen ward dein Schild,
Doch der Orks Blutdurst hatte dies wahrlich nicht gestillt.
War ihr Hauptmann doch gefallen, erschlagen vom Schönen
So mordeten sie weiter, um der spitzen Ohren zu höhnen. …“'

Auszug aus der „Ballade der Elfenkönige“, geschrieben von Luthalion en Nadir.


III. Das Ende der Schlacht

Als sich Nebel und Rauch verzogen hatten, war niemand mehr am Leben auf diesem Mordacker.

Xadomoff und Prandomar erkannten, dass sie ihre Fehde so nie würden beenden können und in einem Moment seltener Einsicht erkannten sie ihre Fehler: Es war falsch von ihnen, das sie ihre Geschöpfe für ihren Streit missbrauchten und aus dieser Erkenntnis heraus beschlossen sie, der Welt, die sie geschaffen hatten, einen anderen Sinn zu geben. Einen Sinn, der sie nicht benötigte, damit sie ihren Streit persönlich beilegen konnten. Und da sie ahnten, dass dies eine Ewigkeit dauern würde und sie deshalb nicht für die Welt würden sorgen können, brauchten sie Diener, die an ihrer Stelle die Geschicke der Welt leiten würden.

Doch bevor sie diese Diener erschufen, holten sie endlich nach, was sie schon längst hätten tun sollen: Sie gaben ihrer Schöpfung einen Namen. Und so kam es, dass diese Welt, die sie geschaffen hatten von ihnen den Namen Evarsgorhe bekam. Dieses Wort ging ein in den Sprachgebrauch der späteren Anglikaltiki, einem Menschenvolk, das am nächsten zur Kuchk-Walih gewohnt hatte. In ihrer Sprache bedeutete Evarsgorhe soviel wie „dauerhafte Fehde“ oder „ewig Blut“. Und die drei Landmassen, die diese Welt beherbergte, nannten sie Ankrador, Bandrakon und Dunladan. Als letzte Tat, bevor sich die Zwei zurückzogen, trennten sie die Verbindung zwischen den drei Landmassen. Ankrador, Bandrakon und Dunladan - auf ewig eins und doch auf ewig voneinander getrennt. Lediglich Götter vermochten diese Grenze zu überwinden.

Mit sich selbst beschäftigt, vernachlässigten die Götter ihre Aufgaben – und dies hatte schwerwiegende Auswirkungen auf Evarsgorhe.


IV. Vom Zerfall des Schwarzblutbundes und des Bündnisses der freien Völker

Folgende Zeilen stammen aus der Feder Kolirs, Exilkönig und Schriftgelehrter aus dem Hause Calression, niedergeschrieben im Jahre 8 des schwarzen Drachen in „Über die Völker“:

Zur der Zeit des Rückzugs der Götter ging auch eine Veränderung mit den Lebewesen vor sich: Die Völker des freien Bündnisses und des Schwarzblutbundes verloren ihren Zusammenhaltswillen. Es war eine schleichende Entwicklung, die sich keinesfalls abrupt vollzog – doch ihre Wirkung konnte niemand der damals Lebenden verneinen. Es begann damit, dass sich Zwerge und Elfen, Goblins und Orks einander entfremdeten, ja gar etwas wie Misstrauen und später sogar Hass auf den anderen empfanden.

Die ehemaligen Verbündeten entfernten sich immer weiter voneinander und irgendwann kam es sogar zu Brüchen innerhalb der Völker selbst. Stämme und Gruppen bildeten sich heraus. Bei den Elfen entstanden dabei die Gattung Hoch-, Dunkel- Wald- und auch Dunkelelf. Bei den Menschen gab es nach einiger Süd- und Ostlinge, Nordmenschen und Westmannen.

Auch bei Zwergen, Gnomen, Ogern, Kobolden und Goblins bildeten sich die verschiedensten Stämme und Sippen. Bei den Orks konnte man bald zwischen Urûks, Glondîks und Truzûrks unterscheiden.

Und überall zeigte sich das gleiche Bild. Urûks schlachteten Glondîks ab, während Truzûrks gegen Urûks zu Felde zogen. Elfen kämpften gegen die Zwerge, die Zwerge gegen die Oger, die Oger gegen die Menschen und die Menschen gegen die Orks und sich selbst.

Das Chaos, welches sich außerhalb der Ordnung größerer Städte und ähnlichem ausbreitete, war enorm.

Die Brutalität und Grausamkeit, mit der vorgegangen wurde, schildert folgender zeitgenössischer Bericht eines Menschen: … Mit einer Fratze des Wahnsinns stürzte er sich, gefangen im Blutrausch, auf das am Boden liegende Weib und vergewaltigte die Frau brutal. Schmerzensschreie, Entsetzensschreie, Wollustschreie, Todesschreie. All dies konnte ich hören, nur hören, denn sehen konnte ich kaum was, nur die beschriebene Szene. Die Luft war voll von Rauch. Jede einzelne Hütte muss in Flammen stehen. Plötzlich erkannte ich, dass all diese Laute von nur zwei Personen kamen. In orgiastischer Ekstase hatte es dieser Barbar fertig gebracht, die bemitleidenswerte Frau die Kehle zu durchschneiden, wie es in seiner südlichen Heimat Sitte bei der Tierschlachtung war. Er hatte ihr die Kehle zerschnitten, während es ihm kam. Ich sah das lustvolle Beben seines Körpers, als er plötzlich erstarrte. Die Augen waren weit aufgerissen, doch sein Blick war leer. Danach fiel er auch schon nach vorne, eine rostige Axt in seinem Schädel. Er fügte der am Boden zusammenkommenden Mischung von Frauenblut und Samen noch sein eigenes Blut hinzu. Doch als ob dies nicht schon genug gewesen wäre, kam der Vollstrecker nochmals zu seinem Opfer und zog an seiner Axt, um sie wieder an sich zu nehmen. Doch gab der harte Knochen sie nicht so einfach wieder her. In blinder Wut riss und er an dem Stiel der Waffe, um die Waffe aus Schädeldecke zu brechen. Mit einem Krachen, das mich noch heute in meinen Träumen verfolgt, brach schließlich ein Teil des Schädels weg, flog davon und gab das Blatt der Axt wieder frei.

Entsetzt wandte ich mich ab und musste bei dem Gedanken daran, dass dies hier Menschen waren, die einander dies antaten, erbrechen. Wenn ein hohes, freies Volk zu solch Barbarei fähig ist, wozu sind dann erst diese dreckigen Schwarzblüter fähig? Fressen sie ihre Opfer? Entreißen sie ihnen die Gedärme? Reißen sie uns das Fleisch von den Knochen, sobald wir enthauptet sind? Was ist nur aus den Zeiten der Schlachten geworden, wo Mann gegen Mann kämpfte, Frauen und Kinder in Sicherheit gebracht wurden?

Die Zeiten, als es noch hieß, der Oger sei mein Feind, waren so viel einfacher. Ich musste nie entscheiden, ob Elf oder Zwerg oder gar ein anderer Mensch mein Feind sein könnte. Es gab nur das friedliche Zusammenleben und den Feind - den gemeinsamen Feind. Wann sich das geändert hatte, dies weiß man nicht mehr. Doch gibt es Gerüchte über eine Schlacht, vor lange Zeit auf dem Blutacker. Ob sie der Anfang des Ganzen war? …

Es war kein Zufall, dass gerade zu dieser Zeit der Barbarei die ersten Halbelfen das Licht der Welt erblickten. Bastarde, gezeugt in Vergewaltigung und Hurerei, Nachkommen entführter Elfen, die ihre Kinder in die Gefangenheit und Unterdrückung gebaren. Solche Szenen waren alltäglich geworden zu jener Zeit als sich die Schöpfung Evarsgohres gegen sich selbst wandte. Doch all dieser Widrigkeiten zum Trotz vermehrten sich die Halbelfen und wurden zahlreicher. So kam es, dass es einen fünften Vertreter der freien Völker gab, hervorgegangen aus zwei anderen freien Völkern. Gleichsam waren den Massen der unfreien Völker auch Wesen wie Riesen und Trolle hinzugekommen, die im Laufe der Zeit das Dasein des Tieres hinter sich gelassen hatten.

Aber auch die Verzweiflung obschon der Morde, Raubzüge, Vergewaltigungen und Plünderungen der Bevölkerungen wuchs, als Chaos und Anarchie zunahmen und es wurden die Götter angerufen, ihnen zu helfen.

Diese, von diesem Appell der Untertanen aus ihrem Streit gerissen, stellten schockiert die Veränderungen fest, die ihre Welt durchgemacht hatte. Mit ihrer Handlungsweise hatten sie die Welt von der einen Katastrophe in die nächste geführt.



Dieses Werk findet seine Fortsetzung in Die Große Chronik II