Victoria Debonaire

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Victoria Debonaire

Debonaire.jpg

Der erste Blick:

Ein schlankes, etwa fünfeinhalb Ellen großes Mädchen mit rabenschwarzen Haaren steht vor euch. Wenn man in das bleiche Gesicht blickt, fallen zuerst die dunklen, bläulich schimmernden Augen auf; desweiteren ziert eine relativ kleine Stubsnase das Antlitz und verleiht dem Mädchen ein sehr junges Aussehen. Sie trägt ein schwarzes Kleid und lange schwarze Handschuhe. Über die Schultern fällt ein ebenfalls schwarzer Umhang, der peinlich genau jedes Stück ihrer schneeweißen Haut vor der Sonne schützt. An den Füßen hat sie glänzende schwarze Lederstiefel, deren Sohle mehr als eine handbreit stark ist. Die einzige Waffe ist ein fünf Ellen langer Holzstab, der oben und unten in zwei stumpfen Eisenspitzen endet. Mehrere Einkerbungen deuten darauf hin, dass sie diesen Stab nicht nur zum Wandern benutzt. Über der Schulter trägt sie eine Handtasche, in der sie Kräuter und Essenzen sammelt; und auf den Rücken geschnallt führt sie eine kleine Laute mit sich.

Sonstige Daten:

  • Name: Victoria Debonaire
  • Alter: 17 Jahre
  • Herkunft: Hochfels
  • Rasse: menschlich, bretonisch
  • Stand: Landadel
  • Beruf: Heilerin, Bardin
  • Gottheit: Tirkan
  • Zodiak: Liebende
  • Gesinnung: ?

Geschichte:

Die folgenden Fragmente erzählen einzelne Szenen aus meinem Leben. Sie sind in der chronologisch richtigen Reihenfolge; allerdings sind Dialoge, Beschreibungen und Berichte Dritter durcheinander gemischt.

Kindheit:

I. Das kleine Mädchen

"Und, wie gehts es euch heute, Mylady?"
"Schlecht, Evelyn. Die anderen Kinder in meinem Alter, gleich in dem Dorf dort. Sie sagen, ich wäre ein verwöhntes kleines Mädchen, das alleine im Dunkeln vor Angst sterben würde."
"Aber Mylady, das Geschwätz des ordinären Volkes..."
"Nichts, Evelyn. Sie sollen sehen, dass ich mich nicht ängstige. Ich werde es ihnen beweisen; sie werden nie wieder schlecht über ein Mädchen aus adeligem Hause reden."
"Macht keine Dummheit, Lady Raven's Claw. Ihr wisst nur zu gut, euer Vater könnte mir nie verzeihen..."
"Sorgt euch nicht, alte Frau. Ihr habt nichts gesehen. Morgen bin ich wieder zurück."

II. Abends auf dem Moor

Kalt pfiff der Wind durch das dünne weiße Kleid, das dem hellhäutigen Körper kaum Schutz bieten konnte. In der Dämmerung leuchtete die Gestalt wie ein Licht in der Dunkelheit der verwilderten Ländereien. Schließlich wandelte sich der rote Himmel in ein klares Sternenzelt. Victoria blickte zurück zum Adelssitz ihres Vaters. Was war schon eine Nacht in der Wildnis? Nichts, vor dem man sich fürchten müsste...

III. Allein für eine Nacht

Gespenstisch schienen die knorpeligen Heiden ihre verkrüppelten Äste zu bewegen. Das fahle Licht des Vollmondes erleuchtete die Wege des Hochmoors, während die langen Gräser im Wind wogten. Das Mädchen blickte sich fröstelnd um. Hätte sie doch nur einen Mantel mitgenommen; aber es war genau, wie die Dorfkinder gesagt hatten. Die Adeligen hatten keine Ahnung vom Überleben in der Wildnis. An der nächsten Heide blieb sie stehen. Ein einzelnes Licht tänzelte über den dreckigen Tümpel vor ihren Füßen. Kälte umschloss ihr Herz. Wenn das die Schmuggler waren, von denen das abergläubische Volk berichtete? Für sie wäre das einzige Mädchen des Gutsherrn eine willkommene Beute. Ängstlich verkroch sie sich in einem Gebüsch und verfluchte sich still für das weiße Kleid, dass sich kaum verbergen ließ.

IV. Tier oder Mensch?

Ein lautes Krachen ließ sie herumfahren. Erstarrt blickte sie in die Dunkelheit, in der sie nicht einmal ihre eigene Hand hätte erkennen können.
"Wer ist da? Zeigt euch!"
Die Antwort war dunkler Schatten, der vor ihr aus dem Boden schoss. Unfähig, sich zu bewegen, starrte sie gegen einen schwarzen Körper, bis er gegen ihre Brust schlug. Nebel umhüllten ihre Sinne und der Geist entwich aus ihr. Bewusstlos sank sie in ihre weißes Kleid, wie eine Perle in ihrer schneeweißen Muschel.

V. Gerettet

Benommen richtete sie sich auf. Ein verschwommenes Gesicht, umrandet vom hellblauen Himmel hing über ihr in der Luft.
"Victoria, wacht auf! Was ist geschehen? Wie kommst du hierher?"
"Vater, ich weiß nicht, was..."
"Du siehst schlimm aus, dein Gesicht ist rot von Blut, ebenso dein Kleid. Ich werde dich zurückbringen."
"Ich..."
"Nicht dass die Schmuggler sich mit den Waren meines Guts zufrieden geben, jetzt rauben sie auch noch meine Tochter. Ich werde ihnen zeigen, was es heisst, einen Angehörigen des Geschlechts Raven's Claw in Gefahr zu bringen."
"Es war..."
"Sei still, Kind, und spar dir deine Kräfte. Der Heiler wird wissen, was zu tun ist. Ich bringe dich zurück"

VI. Neuigkeiten aus dem Dorf

"Habt ihr gehört, Mylady? Es wurde schon wieder einer gefunden."
"Was, wieder eine Leiche? Das Ganze macht mir Angst, Evelyn. Es ist, als ob sich die Götter gegen uns verschwiren hätten."
"Malt nicht den Teufel an die Wand, junge Herrin. Auch ich ängstige mich. Sie haben ihn heute früh gefunden, er war noch eine Junge, gerade zwölf Jahre alt. Sie haben den blutüberströmten Körper aus einem Wasserfass gezogen. Er war so zerschunden, dass man sein Gesicht nicht einmal erkennen konnte, und der Oberkörper war regelrecht zerfetzt. Was mag das für ein Ungeheuer gewesen sein? In meinen über 60 Jahren hier habe ich derartiges noch nie erlebt."
"Die alten Geschichte, sie berichten von Werwölfen und anderen wunderlichen Geschöpfen..."
"Ach seid still. Werwölfe - pah! So etwas gibt es doch nicht."

VII. Der Dorfsprecher macht mobil

"Hört her, Leute! Es gab jetzt schon fünf Todesopfer in der letzten Woche. Wenn das so weitergeht werden wir in ein paar Tagen ganz ausgestorben sein. Wir müssen etwas unternehmen. Ein Ungeheuer ist unter uns..."

VIII. Victoria weiht ihre Dienerin ein

"Evelyn, ich muss euch verlassen."
"Mylady, was ist in euch gefahren? Seid ihr von Sinnen? Das Ungeheuer..."
"Es wird mir nichts tun, aber solange ich bleibe, wird das Morden kein Ende finden. Ich muss gehen."
"Aber euer Vater..."
"...wird mich nicht halten können. Mit dem Einbruch der Dunkelheit reite ich los. Ich werde nur das Nötigste mitnehmen; Kleider, Stiefel und Nahrung für eine Woche."
"Wohin geht ihr?"
"Das weiß ich selbst noch nicht. Weit weg von hier, hier ist genug Elend geschehen."
"Denkt ihr, dass das Wesen euch folgen wird?"
"Wenn ich weg bin, wird das Morden ein Ende haben. Denkt an meine Worte."

IX. Die Flucht

Kaum da es dunkel geworden war, glitt ein schwarzer Schatten aus dem altehrwürdigen Herrenhaus. Die Pferde, die die Gestalt schon gewohnt waren, schnaubten nur leise. Die Bewohner des Hauses merkten weder, dass Victoria ihren Lieblingsrappen aus dem Stall führte; noch, dass sie, sobald sie sich außerhalb des Tores befand, im Galopp davonpreschte.

X. Besorgnis eines Vaters

"Evelyn, wo ist meine Tochter?"
"Verzeiht Herr, sie ist weg..."
"Weg? Was sagt ihr da? Zum Teufel, diese elenden Schmuggler - ich werde sie hängen lassen!"
"Nein, die können nichts dafür."
"Es waren nicht die Schmuggler? Sagt, wer dann? Was wisst ihr, was ihr mir verschweigt?"
"Seht in das Zimmer eurer Tochter. Sie hat ordentlich gepackt. Kleider, festes Schuhwerk und ein paar Bücher. Ihre Musikinstrumente fehlen, und sie hat ein bestimmtes Buch mitgenommen - "Aufstieg und Fall des Hauses Debonaire" - was soll das bedeuten?"
"Was ist nur in sie gefahren? Bei den Götter, wie kann sie mir das antun? Wenn ihr etwas zustößt..."

Jugend:

XI. Ankunft

Im Regen eines stürmischen Herbsttages; während die dunklen Wolken nur knapp übern den Spitzen der Bäume hingen, ritt ich einsam den schmalen, überwucherten Pfad entlang. Eingehüllt in die langen Schatten des Abends, die die dichten Bäume hinter mir warfen, fand ich mich auf einmal in Sichtweite des Hauses Debonaire. Ich wusste nicht warum, doch mit dem Blick auf das dunkle Gemäuer hatte mich eine unerträgliche Schwermut ergriffen. Ich sage unerträglich, da ich es anders nicht beschreiben kann. Dieses Haus war meine einzige Hoffnung, und doch wirkte es beängstigend, bedrückend; fast so, als würde mir das Herz in der Brust zusammengedrückt. Ich blickte auf die Szenerie vor mir: Auf dem Hügel das große Haus, in dem nur hinter einem einzigen Fenster Licht brannte; das Ganze umrandet von einem schmiedeeisernen Zaun, an dem sich Rosen und Efeu emporräkelten. Das hüfthohe Gras wogte im frischen Wind, so dass der verwilderte Garten einem Meer aus spitzen Halmen glich. Einige schwarze, verfaulte Baumstämme standen wie Pfähle um das Gebäude und bestärkten das bedrückende Gefühl, dass mich umso stärker überkam, je weiter ich mich dem Haus näherte.
Was brachte mich eigentlich dazu, dieses Haus so bedrückend zu finden? Auch mein ehemaliges Heim war in diesem Stil gehalten, und doch besaß es nicht annäherungsweise die mysteriöse Aura des Hauses Debonaire. Es musste etwas anderes sein, etwas Grauenhaftes, Schreckliches, was sich hier vor einiger Zeit ereignet hatte.

XII. Lord Debonaire

"Seid gegrüßt, ihr müsst Lady Raven's Claw sein. Ich habe euch schon erwartet"
Eine angenehme Stimme hieß mich willkommen. Als ich langsam nach oben blickte, fielen mir zuerst die zarten, weißen Hände auf, die ein einziger Silberring zierte. Dann ein blaues Brokathemd, am Hals geschnürt; und schließlich blickte ich in ein freundliches Gesicht. Die jugendlichen Züge ließen darauf schließen, dass der Mann kaum über 20 war; und doch trug er die Gewänder eines Grafen. Seine braunen Augen blickten gütig zu mir hinunter, die blasse Haut verriet, dass er die meiste Zeit seines Lebens in dem dunklen Gemäuer verbracht hatte.
"Ich grüße euch. Woher kennt ihr meinen Namen? Und wer seid ihr eigentlich?"
Kaum ausgesprochen, bereute ich die Worte. In all meiner Angst und Aufregung hatte ich die meine Höflichkeit vergessen. Er hatte dies ebenfalls bemerkt; doch das leichte Lächeln, das seine Lippen umspielte, beruhigte mich. Er nahm mir meinen Ausrutscher nicht übel.
"Ich bin Kender Debonaire, und das ist meine Residenz. Ihr seht sehr erschöpft aus; bevor ich euch herumführe, wird euch meine Dienerin ein Bad bereiten. Bis sie soweit ist, solltet ihr etwas trinken. Das vertreibt die Kopfschmerzen, an denen ihr leidet."
Die Sache wurde immer schlimmer. Mir war zumute, als stünde ich einem Hellseher gegenüber. Doch bevor mich meine Neugier zu neuen Fragen trieb, wollte ich meinen Ausrutscher von vorhin wieder gutmachen.
"Es wäre mir eine Ehre, auf ein Glas mit euch anzustoßen."
"Die Ehre ist ganz meinerseits, Mylady."
Der Mann nahm eine metallene Flasche, die auf dem massiven Schreibtisch in der Mitte des Raumes stand. Er füllte zwei Kelche mit der roten Flüssigkeit, die zäh aus dem Flaschenhals strömte.
"Auf eure Ankunft, und auf einen schönen Aufenthalt."
Er leerte den Kelch in einem Zug. Skeptisch betrachtete ich das rötliche Wasser. Es roch süßlich, und doch verband ich eine Erinnerung damit, bei der mir schauderte. Doch konnte ich mich an keine konkreten Bilder erinnern, von den dunklen Schatten im Nebelschleier meiner Erinnerung einmal abgesehen. Schließlich hob ich den Kelch und trank. Es war genauso süß, wie es gerochen hatte. Mein Körper schrie nach der Flüssigkeit; gierig sog ich den roten Saft ein, bis ich mein Gesicht im Boden des Kelches sah.
"Es schmeckt euch, nicht wahr? Ich habe mich nicht getäuscht. Ihr seid die Richtige. Jetzt, da ich weiß, dass ihr Blut trinkt, haben sich meine letzten Zweifel gelöst."
Es traf mich wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Blut - das war es, woran mich der Geruch erinnert hatte. Er hatte mir Blut vorgesetzt, und ich hatte es wirklich getrunken. Unter Schock sprang ich auf und warf den Kelch um. Er fiel klirrend zu Boden, weiße Edelsteine brachen aus ihren Fassungen und rollten auf den kalten Fliesen umher. Ohne mich zu besinnen stieß ich den Stuhl nach hinten, mit zwei Sprüngen war ich an der Tür und riss den Griff nach unten. Der Mechanismus griff nicht, die Tür war von außen verschlossen. Rasend vor Angst wandte ich mich um. Kender stand hinter seinem Stuhl und sah mir zu. Sein Blick machte mich noch verrückter, er war weder geschockt, noch ängstlich - eher gelangweilt, als würde er alle paar Tage wehrlose Mädchen in seinem Arbeitszimmer einsperren und ihnen Blut zu trinken geben. Ich lief zu einem alten Sofa in der Ecke des Raumes und ließ mich schluchzend in die weichen Kissen fallen. Was mir Angst machte, war nicht, dass ich Blut getrunken hatte; vielmehr beunruhigte mich, dass ich den Geruch des Blutes von Anfang an gekannt hatte und es mir auch noch schmeckte. Der Raum um mich drehte sich schneller und schneller, bis ich in einen tiefen, roten Abgrund sank.

XIII. Resignation

Ein lautes Knallen ließ mich hochfahren. Verstört blickte ich um mich - und sah nichts. Es war schwarz, bis auf einmal ein Blitz die Dunkelheit erleuchtete. Ich befand mich in einem steinernen Raum, der einer Zelle im Kloster glich. Vor mir ein schmales, hohes Fenster; rechts ein kleiner Tisch mit Stuhl, beide nur grob bearbeitet und schlampig zusammen genagelt. Beim nächsten Blitz richtete ich mich vollends auf und ging zum Fenster. Draußen tobte das Unwetter, als bestünde das Himmelszelt wirklich aus Wasser, wie es nach Vorstellung einiger Forscher sein sollte. Als ich mich aus dem Febster beugte, fühlte ich einen kalten Windhauch auf der Brust. Fröstelnd wanderte mein Blick nach unten - ich war nackt. Erschrocken riss ich meinen Körper herum und rannte zur Tür, die auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers lag. Meine Befürchtung, dass sie verschlossen war, wurde nicht bestätigt. Ohne auch nur leise zu knarren, ging sie auf. Das machte die Sache aber eher schlimmer als besser. Beschähmt ob meiner Nacktheit schlug ich die Tür zu und kroch ins Bett, wo ich mich meinen Tränen hingab.

XIV. Die Wandlung

Anmutig schritt die schwarze Gestalt die breite Treppe hinunter. Unten angekommen traf sie auf Kender Debonaire. Er verbeugte sich leicht.
"Seid gegrüßt, Lady Raven's Claw. Es ist mir eine Ehre."
Das Mädchen machte einen formvollendeten Knicks und reichte ihm die Hand zum Handkuss.
"Die Freude ist ganz meinerseits, Mylord. Wahrlich ein schöner Empfang, den ihr da veranstaltet."
"Ihr beschähmt mich zutiefst; ich bin sicher, dass er ohne euch nicht die Hälfte des Glanzes hätte, den er jetzt hat. Darf ich zu einem Tanze bitten?"
"Es wäre mir eine Ehre, Sire. Was für ein wundervoller Abend..."
Callareia, die die Szene von oben beobachtet hat, dreht sich verwundert zu ihrer Freundin Azura um.
"Hast du das gesehn, Azy? War das nicht das Mädchen, das sich gestern noch mit Händen und Füßen gewehrt hat?"
"Ja, Cal. Diese Adelige, Victoria heisst sie. Widerspenstiges Ding, soviel ich mitgekriegt habe. Aber irgendwie hat Kender sie überzeugen können - jetzt ist sie dabei, wie es aussieht."
"Wir sollten sie gut behandeln. Ich denke, sie ist nicht einmal so übel, wenn sie nur die erste Scheu abgelegt hat. Und wir sind nun wirklich keine Monster, oder?"
Azura grinst, dass ihre Zähne im fahlen Kerzenlicht der Halle schimmern. Nein, Monster waren sie wahrlich nicht. Eher die Verteidiger des Guten, die sich hier zusammengefunden hatten, um die Welt vor noch mehr Unheil zu bewahren.

XV. Umkehr und Buße

Die Sonne war seit sechs Stunden untergegangen, Mitternacht schon lange vorüber, und ich lag immer noch neben dem Baumstamm im hohen Gras. Der Geruch des Moores wehte im sanften Abendwind zu mir herüber und erinnerte mich an mein Zuhause. Gerade einmal drei Monate war es her, dass ich vom Herrenhaus meines Vaters weggelaufen war, und so viel hatte sich verändert: Freunde waren zu Feinden geworden, und aus Feinden wurden Freunde. Doch die Welt drehte sich weiter und beachtete nicht das kleine Mädchen, das jetzt stumm in der Wiese lag.
Ich hatte meine Schuld eingesehen, und ich bereute jeden Augenblick davon. Was hatte ich nur angerichtet? Es war so schrecklich - nie wieder wollte ich darüber reden. Mir ging es jetzt nur noch darum, so viel wie möglich davon wieder gut zu machen. Ich wollte eine Heilerin werden und den Menschen helfen, denen ich vorher geschadet hatte.
Kender, der mir schon so viel geholfen hatte, erklärte mit die Grundzüge der Heilkunst und gab mir meinen ersten Stab, den ich noch jetzt stolz an meiner Seite trage. Durch ihn, den Lord des Hauses Debonaire, war ich sehr viel älter geworden. Ich war nicht mehr das Mädchen, das gerne spielte und die Pferde fütterte; ich war jetzt eine Frau. Und so legte ich mein kindliches Aussehen ab und kleidete mich fortan eher eintönig. Von den zwei anderen Frauen, die mit im Haus wohnten, bekam ich ein schwarzes Kleid, schwarze Handschuhe und einen schwarzen Umhang. Allen Schmuck legte ich ab, bis auf einen Siegelring, der das Zeichen der Debonaires trug. Dies war nun meine Uniform, in der ich aufbrechen wollte, um den Menschen zu helfen. Als Heilerin würde ich ihnen bei der Jagd zur Verfügung stehen, als Botin ihre Briefe überbringen und als Bardin zu ihrer Unterhaltung beitragen. Und so verabschiedete ich mich von Kender, Callareia und Azura, um in die weite Welt aufzubrechen - jetzt aber mit der Gewissheit, dass ich ein Zuhause hatte, zu dem ich jederzeit zurückkehren konnte.