Hryurans Stab

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Sage

In den alten Zeiten, als die Geister noch jung waren und sie umhertollten, um die Welt zu entdecken, die ihnen gegeben war, gerieten sie dennoch ab und an aneinander. Während viele der Begegnungen im gemeinsamen Spiel endeten oder sie einander ignorierten und fröhlich ihrer Wege gingen, so gab es auch Treffen des Streits, bei denen sie gegeneinander eiferten. So machte Umandia sich einen Spaß daraus, die Feuer Sarmakands zu löschen, während Jimane Zernalons Pflanzen den fruchtbaren Boden entzog. Ein jedes dieser Treffen wurde von einem langen Nichtsehen gefolgt, denn die Geister zogen es vor, sich aus dem Weg zu gehen und ihren Zorn verrauchen zu lassen, um sich beim nächsten Treffen unbeschwert zu begegnen.
Hryuran und Lumetis jedoch schienen weit häufiger einander zu begegnen als es unter den Geistern üblich war. Man möchte gar davon sprechen, daß sie einander suchten, um die Taten und Werke des anderen ungeschehen zu machen oder ihnen zumindest entgegenzuwirken. Während Lumetis nach Harmonie trachtete und die gewohnte Ordnung erhielt, liebte Hryuran das Chaos und den Umschwung der bestehenden Ordnung. Glättete Lumetis einen Landstrich und enfernte die Furchen, die Sylaphar mit ihren Stürmen in die Erde gerissen hatte, so fuhr Hryuran in einen Drachen, um mit ihm dieses Werk rückgängig zu machen und den Boden schließlich noch verwüsteter zurückzulassen. Griff Lumetis voller Zorn dann nach dem Drachen, um ihn zu bändigen, fuhr Hryuran aus diesem heraus, um an anderer Stelle zu wirken. Und so führte eine Tat zur nächsten und der Groll der beiden wuchs so sehr, daß sie irgendwann vergaßen, woran ihnen lag, denn fortan lebten sie nur noch, um den anderen zu suchen und Rache zu üben. Die anderen Geister machten sich schon lustig über die beiden Streithähne, die so ruhelos umherstreunten, um den anderen zu übertölpeln, und dabei all die Schönheiten der Existenz und der Welt ignorierten.
Als dann die Völker geboren waren und die Geister ein ruhigeres Wesen entwickelt hatten, waren Lumetis und Hryuran immer noch erbitterte Feinde und bekämpften einander wo es nur möglich war. Schließlich bedienten die beiden sich sogar der Völker, denn sie hatten erkannt, daß diese zahlreich waren und ihren Werten durchaus wohlgesonnen. Da gab es jene, die Ordnung bewahrten und sich daran erfreuten und es gab jene, die keinen Sinn in der Ordnung sahen und für die Wildheit lebten.
So kam es eines Tages, daß die beiden Geister in einem Wald erneut aufeinandertrafen. Hryuran hatte einen starken Mann gefunden, der alles darum gegeben hätte, um noch stärker zu sein. Der Geist hatte das Wesen des Mannes erkannt und so Besitz von ihm ergriffen, um ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Bewaffnet mit einer mannshohen Axt, deren Blatt von der Größe eines Bärenkreuzes, fegte der Mann durch den Wald, um mit einem Schlag dutzende Bäume umzuhauen. Die Bäume krachten unter lautem Tosen ineinander und rissen alles mit sich, was unter ihnen lag. Die Tiere des Waldes liefen erfaßt von Panik davon, getrieben von den noch lauteren Schreien des Mannes, der wie in Extase die Bäume niedermähte.
Eine kleine Schar anderer Menschen, geführt von dem Licht des Geistes der Ordnung, kam an den Wald und konnte nicht umhin zu bemerken, welches wilde Treiben den Wald erfaßt hatte. Sofort war ihnen gewahr, daß der Geist Hryuran hier am Werke sein mußte. Er mußte aufgehalten werden, bevor der Schaden noch größer wurde und so rückten sich schnellen Schrittes vor, um zu sehen, in welcher Gestalt er für die Unruhe sorgte. Sie kamen an die Schneise, die der Mann geschlagen hatte und nun war es ein Leichtes, ihm zu Folgen. Schon nach kurzer Zeit erblickten sie ihn und erschauerten Angesichts der Wildheit, die von diesem Mann mit der gewaltigen Axt ausging. Die Gruppe war uneins, so fürchteten sich die Einen und suchten ihr Heil in der Flucht, während die Nächsten erstarrt in schierer Panik versanken und dann gab es schließlich jene, die einen klaren Sinn behielten und überlegten, wie dem Chaos Einhalt geboten werden könne.
Sie baten ihren Patron um Hilfe und das Licht begann heller zu scheinen und breitete sich weiter aus. Der von Hryuran geführte Mann bemerkte das Gleißen, welches von weiter hinten ausging, drehte sich zu seiner Quelle um und wurde sofort geblendet. Anders erging es den Menschen, die mit Lumetis waren. Sie sahen plötzlich so klar und alle Panik und jeglicher Zweifel waren verschwunden, als der Geist aus dem Licht erschien und die Gruppe anführte, um Hryuran zu vertreiben und dem Mann und dem Wald seinen verdienten Frieden zu schenken. Hryuran, welcher die Anwesenheit seines Rivalen spürte, bäumte die Kraft des Mannes ein letztes Mal auf, so daß dieser die riesige Axt in Richtung der Gruppe warf, welche jedoch keinen Schaden zu verursachen mochte. Der Geist selbst fuhr mit einem fürchterlichen Kreischen aus dem Körper des Mannes und machte sich bereit zu Flucht, denn das Licht von Lumetis war ihm zuwider. Doch hatte er nicht die Schnlligkeit der Gruppe bedacht, die nun plötzlich vor ihm stand.
Einer der Menschen holte aus und stieß seinen Stab in die Brust des Geistes, welcher daraufhin vor Schmerzen kreischte. Der markerschütternde Schrei bannte die Trance, die Lumetis auf die Menschen bewirkt hatte, um deren Gedanken zu ordnen und sie zu stärken. Sie hielten sich die Ohren und schrien auch ihren Schmerz heraus, während sie sich am Boden krümmten. Lumetis, welcher unbeeinträchtigt blieb und eine Gelegenheit sah, Hryuran für seine Untaten zu bestrafen, griff nach dem Stab, der diesen verletzt hatte.
Ohne zu wissen, wie ihm geschah, schlug Lumetis mit seiner neuen Waffe um sich und traf dabei alles, was nicht auswich. So tötete er welche seiner treuen Anhänger und zerstörte weitere Bäume und Pflanzen. Hryuran seinerseits brach in ein unheimliches Gelächter aus und stürzte sich auf den anderen Geist, um diesen niederzuringen. Und so tobten die beiden Geister durch den Wald und verwüsteten Stück um Stück. Es war Zernalon schließlich, der Geist der Pflanzen und Tiere, der den beiden Einhalt gebot. Er fing sie und trennte sie voneinander. Zur Strafe fesselte er sie an zwei verbliebene Bäume, auf daß sie mit ihrer Kraft dafür sorgen, daß der Wald sich erhole und in neuem Glanze erblühe. Wenn ihre Schuld beglichen sei, so durften sie den Wald verlassen und erneut frei sein. Den Stab, von dem er erkannt hatte, daß etwas von Hryurans Wahnsinn darauf übergegangen sein mußte, ließ er von Sylaphars Winden hinfortwehen, auf daß er keinen Schaden mehr anrichte.


Hryurans Stab

Auch bei diesem Gegenstand ist nicht mit Sicherheit zu klären, ob er wirklich existiert oder nicht. Über die Zeit hinweg hat es immer wieder Berichte gegeben, daß es unter den Völkern zu Wahnsinn gekommen sei, nachdem ein Stab oder Stock berührt wurde. Zuverlässige Quellen gibt es dafür nicht, so daß man davon ausgeht, daß die Ereignisse sich anders abgespielt haben und nur durch die Sage beeinflußt wurden.
Ein wahrscheinlicherer Verdacht geht auf die Geschichte des Turmfalls zu Isillheim zurück. Da von der Herrin des Turms bekannt war, daß sie über eine Sammlung an Artefakten und Schriften verfügte, liegt es durchaus nahe, daß Hryurans Stab in die Geschehnisse des Turmfalls involviert war. Nachgewiesen werden konnte dies noch nicht, zumal es sich als schwierig erweist, die Wirkung des Stabs zu bestätigen, wenn man genötigt ist, diesen zu berühren.