Galdralog, Band I: Von Göttern und Geistern
Der Galdralog ist eine Sammlung alter Mythen, Helden- und Götterliedern aus einer Zeit, da die meisten Barden selbst nicht schreiben konnten und das Wissen mündlich überliefert wurde. Er gilt als wichtige Überlieferung zur Kultur des nordwestlichen Dunladans; eines Landstriches, der zwar offiziell zum Reich gehört, allerdings aufgrund seines rauen Klimas und seiner zerklüfteten Landschaft bis heute kaum urbar gemacht wurde.
Die vorliegende Ausgabe ist ein restauriertes Werk, das in liebevoller Kleinarbeit von der Bibliothek der Neuen Ordnung wieder zusammengestellt wurde. Lediglich einer Handvoll Vertrauter wurde erlaubt, die neue und kommentierte Version abzuschreiben. Im Ganzen umfasst die Legendensammlung mehrere Bände, die noch heute immer wieder erweitert werden.
Dies ist der erste Band. Er enthält einen Schöpfungsmythos aus den Nordlanden (Gotgarsk) und ein Gebet zu Ehren der Dunklen Götter.
Gotgarsk – Der Ursprung der Welt
Lasst mich erzählen von alten Mären,
Geschichten und Lieder der Ahnen,
ohne die wir nur Schatten wären,
ihre Weisheit soll uns ermahnen.
Von vergangenen Zeiten will ich berichten,
singen von der Welten Beginn,
zählt es doch zu meinen Pflichten,
zu lehren der alten Sitten Sinn.
Es war um die Zeit da die Götter
beschlossen, die Erde zu schaffen.
Es gab weder Wind noch Wetter,
allein Stein und Blitz waren die Waffen.
Mit unglaublichen Kräften schmiedeten sie
das Weltengerüst, unser aller Halt,
und vereinten mit Mächten, älter als Magie,
Chaos und Ordnung mit Gewalt.
Noch störten Flammen alles Leben,
Hoffnung und Trost war verbrannt,
bis Wassermassen gen Welt streben,
von Gavz Dorl und Xzarrus gesandt.
Das Feuer erstickte und schwelende Glut,
verdeckt von des Wassers Unendlichkeit,
bildete nun das neue Gut,
die Götter harrten lange Zeit.
Dann wich das Wasser und die Erde,
war von kahler Gestalt, öde und leer:
“Auf dass Leben einziehen werde!”,
sprach Sceral, der Anblick schmerzte ihn sehr.
So schickte er Levonar hinaus,
diese gönnte sich keine Ruh,
brachte mit Sylaphar die Samen aus,
grüne Pflanzen wuchsen im Nu.
Sie erregte der Götter Wohlgefallen,
lange spazierten diese im Wald,
doch hörten sie nur eigene Stimmen hallen,
die Schöpfung blieb stumm und kalt.
So sprach der Herr nun: „Es ist zwar schön,
zu riechen der Blumen Duft,
doch, so muss ich leider gestehn,
der Wald ist so tot wie eine Gruft.“
Ratlos saß Levonar auf einem Stein,
wollte sie doch ihr Talent zeigen,
zu schaffen ein Paradies aus der Erde Gebein,
vor ihrem Werk sollten alle sich verneigen.
Heimlich zog sie Zernalon ins Vertrauen,
auch Tirkan lockte sie sehr,
zu dritt belebten sie die Auen,
die Berge, Täler und das Meer.
Sie mochten nun nicht mehr warten,
und schenkten der Welt das Leben,
in Gestalt von Tieren aller Arten,
um Sceral die Freude zu geben.
Voller Wunder war nun der alte Hain,
Götter und Geister vor Ehrfurcht erstarrt,
und sogar Visqe gestand heimlich ein
Levonar hatte ihr Wort gewahrt.
Umso größer war der Erdengöttin Zorn,
schuf eine nie mehr heilende Wunde,
Levonar war ihr im Auge ein Dorn,
doch Visqe wartete auf ihre Stunde.
Der Nachteil der Schöpfung zeigte sich bald,
war diese Welt doch ein Paradies.
Die Tiere wurden unendlich alt,
was gegen die Ordnung verstieß.
Es gab weder Neid, noch Hass,
keines der Tiere sah den Tod.
Sie vermehrten sich ohne Unterlass,
brachten das Gleichgewicht aus dem Lot.
Bis Xzarrus schließlich den Tod erfand,
und tausende dem Schnitter versprach,
dann wüteten Enzociars und Visqes Hand,
bis das einstige Paradies zerbrach.
Jimane, Umandia und Sarmakand,
vernichteten alle Welt,
bis kein Baum mehr gerade stand,
der Wald verwüstet und entstellt.
Spät wurde Sceral der Zerstörung gewahr,
hob mahnend seine Hand,
rief Götter und Geister, die ganze Schar,
und blickte hinab auf das Land.
„Dies, ihr Mächtigen, hat uns gezeigt,
wie das Leben die Erde erhält,
und wie schnell die Dunklen dazu bereit,
zu zerstören, was nicht gefällt.
Doch sollen meine Worte nicht tadeln nur,
auch wenn ich das Leben verehre,
mir gegenüber steht Syrthan mit seinem Schwur,
auf dass ewig Gleichgewicht währe!
Zwar liegt in den Worten der Ironie Hohn:
Ist doch alles, was entsteht,
– so sagten die Worte der Alten schon –
wert, dass es zugrunde geht.“
Nach dem Gespräch der Götter und Geister,
sprach Neriel Levonar an,
abseits der Augen ihrer Meister,
fassten beide einen neuen Plan.
Mächtige Wesen sollten es sein,
den Segen der Vernunft erfahren,
errichten Dörfer und Städte als Heim,
das brüchige Gleichgewicht bewahren.
Die Zwergen entstanden aus der Berge Stein,
die Elfen im westlichen Auental,
die Gnome aus der Erde Gebein,
die Menschen schließlich überall.
Auch Visqe versuchte, Wesen zu schaffen,
doch kannte sie nur Kummer und Pein,
und so entstanden der Dunkelheit Waffen,
weit abseits der Sonne Schein.
Am Ende sandte Sceral herab,
Metarians Element, das Feuer,
welches der Kriegsgott den Elfen gab,
zu heizen die kalten Gemäuer.
Und Lumetis hütete der Tage Licht,
und die Dunkelheit der Nacht,
als Göttin der Ordnung war es ihre Pflicht,
zu halten diese ewige Wacht.
So erzählt die Chronik der Ahnen,
die Schöpfung dieser Welt,
um alle Mächtigen zu ermahnen,
auf dass Dunladan niemals fällt!
Denn Reichtum, Ruhm und Macht,
so sehr der Mensch sie ehrt,
wenn die Feuer der Unterwelt erst entfacht,
sind sie nur von geringem Wert.
Unterschätzen sollt ihr niemals der Götter Macht,
niemals ihren Namen verfehmen,
denn alles was sie euch gebracht,
können sie auch wieder nehmen.
Lob und Preis der Dunkelheit
Es war am ersten Tage im vierten Jahr nach dem großen Brand. Die Wunden waren fast verheilt, neue Bauten standen an den Stellen, da Sarmakands Flammen die Stadt verwüstet hatten. Schnell vergaßen die Menschen die Gefahr. Es war Frieden allerorten, und das Glück hielt Einzug.
Gorm war zu einer kleinen, aber wohlhabenden, Stadt herangereift. Der Stadtherr, Regor Malkin, nannte sich stolz König; seine Untertanen liebten ihn und achteten seine Taten. Seine Arbeit ermöglichte ihnen, sich abends ruhig zurück zu lehnen und zuversichtlich den Morgen zu erwarten. Und ihm sollte das Fest gelten, das sie am heutigen Tage veranstalteten.
Nachdem die Gebäude wieder errichtet worden waren und das Leben weitergehen konnte, hatten die Priester beschlossen, dass sie mehr als nur der freien Geister bedurften. In den alten Schriftrollen hatten sie Legenden gelesen von mächtigen Göttern. Es dauerte eine Weile, bis man erkannte, wie die Zehn zueinander standen. Dann jedoch wurden sie in zwei Gruppen eingeteilt. Fortan nannte man die Fünf um Sceral die lichten Fünf. Es waren dies Metarian, der Gott des Kampfes und der Ehre; Neriel, die Trägerin allen Wissens; Levonar, die Herrin des Lebens und der Schönheit und Gavz Dorl, der Handels- und Diebesgott. Um ihnen zur Ehre zu gereichen, wurde im Osten der Stadt der Tempel des Lichtes errichtet.
Die Fünf um Syrthan nannten die Priester die Dunklen Fünf. Zu ihnen zählten Kordan, Gott der Drachen und der Wahrheit; Visqe, Herrin der Schlachten und der Zerstörung; Enzociar, Avatar der Macht und Unterdrückung und Xzarrus, Regent des Totenreiches. Für sie wurde im Westen der Stadt ein Tempel gebaut, der schwarz war wie die Nacht.
Die Verehrung des Lichts und der Dunkelheit nahm ihren Anfang, und mit ihr eine Ära des Wohlstands und Fortschritts – bis lange über Regor Malkins Tod hinaus herrschte Friede im jungen Königreich.
Herrin der Erde
Die du über allen Boden gebietest, Grundlage des Lebens.
Alles, was geschaffen, muss einmal vergehen.
Wenn du zerstörst, ist alle Hoffnung vergebens,
doch wird aus der Asche Neues erstehen.
Herrscher der Drachen
Deine Geschöpfe sollen den Horizont verdunkeln
und das Land mit dem Feuer der Reinigung überziehen.
Kein Wort werden die elenden Ketzer noch munkeln,
deren Lügen das Volk seine Ohren geliehen.
Prinzessin der Macht
Schmerz und Wehklagen sind Musik in deinen Ohren.
Folter und Unterdrückung magst du verbreiten,
bist zur gefürchteten Herrscherin auserkoren
auf einem Thron aus Blut und Grausamkeiten.
Regent des Totenreiches
Unermesslich deine Armeen, deine Heere;
gefürchtet ihre Banner, die im Nordwind wehen.
Zuteil werden soll nur den Helden diese Ehre,
die im Kampfe auf dem Schlachtfeld untergehen.
Meister des Chaos
Mächtigster Herr, Fürst des Krieges,
dein allein ist die Dunkelheit.
Weltenzerstörer, Sohn des Sieges,
Dunladan erstrahlt in deiner Herrlichkeit.