Über die Geister der Schatten
Dieses alte Pergament geriet nach langwieriger Suche in die Hände von Avalia Caelelbrar, welche nach eigenen Untersuchungen eine Abschrift der Schriftrolle der Bibliothek Duaths zukommen ließ. Das Original befindet sich weiterhin in Alkazaba noc Draco.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort des Verfassers
Die Worte, die ich hier niederschreibe, wurden mir drei Jahre nach Beginn der neuen Zeitrechnung an einem Lagerfeuer erzählt. Da an jenem Abend eine Menge Rum und andere Freunde der Tunichtgute geflossen waren, hielt ich die Erzählungen, die ich hier festhalte, zunächst für Auswüchse einer blühenden Fantasie. Erst 31 Jahre später, nun ist es zwei Tage her, konnte ich mich auf einer Reise davon überzeugen, dass dieser Mann die Wahrheit gesagt hatte und ich will diese Dinge, da Xzarrus seine Wege vor einigen Jahren am Strick kreuzte, nun für die Nachwelt festhalten.
Ich bin mir sicher, dass euch, geehrter Leser dieser Zeilen, mein Geschriebenes ebenso unwahrscheinlich und erlogen vorkommen wird, wie es mir damals am Feuer war. Und doch hoffe ich für euch und meinen Namen, dass ihr die Wahrheit meiner Worte in eurem Leben erkennen werdet.
Darunter befindet sich verwischter Schriftzug, der zu wenige Zeichen offenbart, als dass man ihn lesen könnte.
Prolog
Einige der wenigen Relikte, die die Bruderkriege überlebt haben, sind wohl die Schauermärchen und Schreckgeschichten. Faktisch gesehen ist dies auch keine Überraschung, da sie weder an einen sozialen Stand, noch an einen Glauben gebunden sind. Von vielen angezweifelt haben sich viele Legenden bis in die heutige Zeit gehalten und begeistern viele Jünglinge in ihrem Wunsch nach Ruhm bei der Entdeckung mancherlei geheimnisvoller Wesen oder schüchtern die Kinder ein, abends nicht mehr das Haus zu verlassen.
Jedoch haben es wenige der uralten Geschichten bis in meine Zeit geschafft und die kaum eine scheint so viele tapfere Jünglinge oder enttäuschte, verliebte Gecken in den Bann zu ziehen wie die Geister der Schatten.
Wesenszüge
Bevor ich jedoch darauf komme, warum sie besonders beliebt bei jenen zu sein scheinen, möchte ich dem Leser das Bild vermitteln, welches mir der Alte damals schilderte. Dafür muss man davon ausgehen, dass der Leser erkennen kann, was Leben und Tod sind. Denn wer an diesem Punkt mit enormer Standfestigkeit behauptet, sie seien Beginn und Ende und einzige Zustände einer Existenz, der sollte dies Pergament fortlegen (An dieser Stelle sind die Lettern derart verblichen, dass ein Lesen der Zeichen, geschweige denn der Worte unmöglich wird.). Denn jene Wesen, über die wir sprechen, haben bereits wenigstens einmal die Grenze zwischen Leben und Tod betreten, sich jedoch für keine der Seiten entschieden und stehen nun in ihrem Grundzustand zwischen Diesseits und Jenseits.
Aus dem Verständnis dieser Tatsache lässt sich sowohl eine Verachtung gegenüber den Lebenden, die sie entweder ob ihrer Gebundenheit an Körper und Leben oder ihrer Einfältigkeit und ihrem übersteigerten Herrschaftswahn ablehnen, aber auch den Toten, die aus ihrer Sicht zu schwach waren, auf der Grenze stehen zu bleiben, ableiten. Des Weiteren macht der Fakt, dass sie sich fremder Körper bemächtigen und diese wieder – ohne sichtbare Konsequenzen außer dem scheinbaren erneuten Ableben der Person – ablegen können, wenn sie ihrer überdrüssig sind, zu Wesen, die den Wert eines Lebens kaum noch schätzen können. Die Tatsache, (hier geht ein ärgerlicher Riss durch das Pergament...) Worten meiner Quelle sogar in die Hände des Wahnsinns geführt haben. Ob Kordan allerdings noch Macht über diese höheren Wesen besitzt, konnte auch er mir nicht sagen.
Zusammengefasst haben wir also zunächst ein Wesen, welches zwischen Leben und Tod steht, Leichen als Körper verwenden kann und einen (Hier scheint der Ausfluss eines Tintenfasses das wertvolle Stück ruiniert zu haben). erkennt man diese Geister, wenn man ihnen begegnet?
Erkennung
Die Geister zu erkennen ist nun zweierlei Ding’, denen ich mich nacheinander widmen kann. Denn so verschieden das Aussehen der Zustände jener, so unterschiedlich muss auch der Weg sein, sie zu erkennen. Da nur seine Worte und – damals hielt ich sie zumindest dafür – Vorschläge geblieben waren, versuchte ich immer wieder verzweifelt hoffend diese bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu verwenden, bis es mir schließlich gelang. Wollt ihr einen Schattengeist finden, der an keinen Körper gebunden ist, sollte euer Handeln derart sein, dass sein Geist beruhigt und befriedigt wird, da sein Handeln euch auch nach dem Tod beeinflussen kann.
Da diese Wesen eine höhere Form der Existenz darstellen, gibt es keine einfache Art und Weise, sie nach dem Willen oder gar der Art der jungen Völker zu binden. Den einfachsten, aber wohl auch riskantesten Weg dafür stellt das Bannen dar. Um eine Quelle hellen Lichtes, so hell, dass die Nacht wie am Tage erstrahlt, muss dieser neun Tage vor der Kreisform des roten Mondes gezogen werden. Die hierzu notwendigen Runensymbole des Bindens sind leider vor zwei Tagen bei meinem Tun verloren gegangen. Jedoch kann ich euch lediglich die Anzahl der Runen liefern – fünf an der Zahl sind es -, da nach den Worten jenes Mannes eine bestimmte Kombination ihrer Ausrichtungen im regelmäßigen Stern, dessen Spitze nach Osten zeigt, in der Lage ist bestimmte von ihnen zu locken und bis in den Kreis zu ziehen.
Doch ich erwähnte bereits, dass dieses Unterfangen einige Gefahren mit sich bringt: Denn obwohl es fünf an der Zahl zum Anziehen und Hervorrufen einer Bindung benötigt, so sind bereits manche Konstellationen von nur zweien oder dreien in der Lage diese anzulocken und auf Grund ihrer Macht über Tote können sie gefährliche Gegner werden, wobei die Gefahr doch eher in der möglicherweise angelockten Zahl jener besteht. (An den Rand neben diesen Zeilen sind die Wörter Gnom/Kobold gekritzelt und wurden so in die Abschrift übernommen.)
Sollte euch das Bannen gelungen sein, so gibt es leider keinen Weg, dies sofort zu erkennen. Zunächst müsst ihr euch bis zur Nacht des vollen Mondes genügen und werdet dann sehen, ob ihr Erfolg hattet. Habt ihr tatsächlich etwas erreicht, so habt ihr von Aufgang bis Untergang des roten Mondes Zeit, dem Geist euer Begehren vorzutragen, ihn Dinge zu fragen oder was immer ihr zu tun gedenkt. Die Quelle des nächtlichen Lichtes wird sich nach jener Zeit in ein rotes, pulsierendes Schimmern verwandeln, welches im Laufe der folgenden Stunden intensiver wird und schließlich, bei Einbruch der Dunkelheit des folgenden Tages zum endgültigen Erlischen jenes Leuchtens führt. Dies tritt leider auch dann ein, wenn ihr wenigstens zweimal erfolglos an demselben Ort zu bannen versuchtet.
Der andere Weg, ... (An jener Stelle endet das Pergament in einem größeren Riss und gibt Anlass zu weiteren Vermutungen.)