Der Mond in Endurias
Aufzeichnungen uralter Völker belegen, daß die Nächte lange vor der bekannten Zeitrechnung dunkel waren. Obwohl der schwarze Nachthimmel von unzähligen Sternen gesprenkelt war, konnten sich die meisten Rassen in der Dunkelheit kaum zurecht finden. Tagebücher von Gelehrten, aber auch von einfachen Wanderern, berichten, meist mit einer Mischung aus Angst und Staunen, über die Geschehnisse, als die Dunkelheit um einen großen, leuchtenden Kreis bereichert wurde. Oftmals als "Nachtsonne" bezeichnet, bis sich der Begriff "Mond" durchsetzte. Die Zeit verschonte nur wenige Aufzeichnungen, die Aufschluss über die Entstehung des Mondes geben. So wissen die meisten Wesen heutzutage nicht, daß der Mond nicht seit je her zu Endurias gehörte.
Anfangs bemerkten nur jene, die den Nachthimmel studierten, daß einer der vermeintlichen Sterne im Laufe vieler Jahreszeiten immer näher kam. Erst als man die Farbe, ein kühles Blau, erkennen konnte, fand das Phänomen mehr Beachtung. In den folgenden Jahren schürten manche Wesen die Angst des rar besiedelten Landes, daß der blaue Stern ein Todesbote Xzarrus' sei und auf Endurias stürzen würde, um das Leben auszulöschen. Erst als man eindeutig sehen konnte, daß sich die Scheibe nicht mehr näherte, sondern in einem bestimmten Abstand scheinbar zum Stillstand kam, verstummten die Stimmen. Die Angst war damit aber noch nicht erloschen.
Es entstand neue Furcht. Über einen langen Zeitraum bemerkte man, daß der Mond Auswirkungen auf das Leben hatte. Beobachten konnten es nur die langlebigen Rassen der damaligen Zeit, da diese Entwicklung langsam von Statten ging. Auch die Beobachtung, daß die Nachtsonne nie dieselbe Farbe hatte, schürten die Angst. Erst als man sich an das Lichtspiel am Nachthimmel gewöhnt hatte und der Mond keine weiteren Veränderungen mit sich brachte, geriet die Furcht in Vergessenheit.
Aufzeichnungen, deren Verfasser von der großen Angst nichts mehr wußten, beschreiben die Schönheit des Mondes. Ein dünner, weißer Ring umschließt den Mond waagerecht. Im späten Herbst wirkt der Himmelskörper besonders kühl, da die blaue Farbe dominiert. Über den Winter wandelt sie sich zu einem blaugrün. Erst im späten Frühling kann man das kühle Blau wieder beobachten, ehe es über den Sommer von einem fliederfarbenen Violett durchzogen wird. Zu jeder Jahreszeit sind weiße Schlieren zu beobachten, die man für Wolken hält. In manchen Nächten ist der Mond so von den Wolken eingehüllt, daß er silberweiß wirkt. Wenn er in solchen Nächten aufgeht, erstrahlt er in Orange- und Rottönen, bis es völlig dunkel wird und er fahl leuchtend am Himmel empor steigt.
Für Staunen sorgte auch, daß der Mond im Laufe eines Jahres nicht gleich groß bleibt. In den kühlen Jahreszeiten steigt er nur zwei Handbreit über den Horizont und ist vier Finger breit. Sobald es wärmer wird, erklimmt er den Nachthimmel vier Handbreit über den Horizont und ist nur noch zwei Finger breit. Diese Faustregel setzte sich allerdings nie durch, da allgemein bekannt ist, daß gewisse Rassen dickere Finger haben als andere.
Die Mondsicheln fanden in vielen Mythen ihren Platz. Sie erscheinen waagerecht. Die Sichel des zunehmenden Mondes ist immer die untere und dient oftmals als Symbol für die Wiege des Lebens.
In klaren Vollmondnächten wurde ein weiteres Phänomen beobachtet. An großen Wasserfällen enstehen manchmal Regenbögen in der Nacht. Sie sind nicht so farbenfroh wie die Vertreter des Tages. Die Mondregenbögen bestehen aus Abstufungen der grauen Farbe. Seltener sind sie in regnerischen Nächten zu beobachten. Meist nur dann, wenn die Wolkendecke eine Lücke für das Mondlicht lässt.
Eine weitere schöne Besonderheit wird in nebligen Gegenden beschrieben, in denen der Nebel zu bestimmten Mondständen in dessen Farbe leuchtet. Je tiefer der Mond steht, desto intensiver ist der Nebel "eingefärbt". Die Aufzeichnungen eines Menschenstammes beschreiben, daß besonders in den Sommermonaten viele Verliebte in solchen Nächten spazieren gingen und sich vom farbigen Nebel berühren ließen. Es sollte Glück bringen und die ewig währende Liebe besiegeln.