Kayla
Leises Murmeln erfüllt die kalte, von Nebel durchwirkte Morgenluft. Erster Lichtschein durchbricht die Dämmerung des Morgens und lässt Raureif an Gräsern, Blättern und Zweigen glitzern, während vereinzelte Vogelrufe über die Moorlandschaft schallen.
Es ist das erwachende Leben, das die Priesterin geweckt und hierher gezogen hat. Feuchter Dreck haftet an ihren bloßen Füßen, welche sich in die Erde gegraben haben. Vornübergebeugt, den Kopf geneigt, kniet sie am Rand der Feuchtwiese, ihr diffuser Schatten verschwimmt in der dunstigen Luft hinter ihr. Kayla hat die Arme ausgebreitet, die Handflächen zeigen nach oben, und empfängt so das erste Licht des Tages, während der Frost noch über ihre Haut krabbelt. Aus ihrem Mund kommt das raue und leise Murmeln. Ihrer Stimme ist anzuhören, dass sie nicht oft genutzt wird, fast mehr für das Zwiegespräch mit der Natur als mit den Menschen.
Langsam steht Kayla auf, öffnet die dunklen Augen und beginnt zu schweigen. Was dabei zuerst auffällt, ist ihre Größe, mit der sie die meisten anderen Menschen überragt, auch Männer. In Siedlungen, im Kontakt mit den denkenden Rassen und wenn sie unkonzentriert ist, wirkt sie ungelenk und grob. So als ob sie sich ihres Körpers nicht sicher wäre und nicht wüsste, wo sie mit ihrer Größe hinsolle. Tatsächlich aber fällt es ihr nicht schwer, mit ihrer Umgebung zu verschmelzen und sich ruhig und kraftvoll zu bewegen, sei es nun auf tagelangen Wanderungen durch die Wildnis, während sie im Kontakt mit der Göttin steht oder auch beim einfachen Überleben.
Die Kleidung der Frau ist robust und einfach, oft verschließen. Brauntöne überwiegen, was einerseits daran liegt, dass Kayla sich nicht viel aus Färbemitteln macht und somit nicht ändert, was die Natur ihr gibt. Andererseits haftet oft Schmutz an den Stoffen und am Leder. Ihre Haare fallen lang, verfilzt und durch einen schmalen Lederstreifen gebändigt über den Rücken. Manchmal steckt sie Federn, seltener abgefallene Blüten, hinein. Nur in Siedlungen trägt Kayla Schuhe, was einerseits an den misstrauischen Blicken der Bewohner liegt, die in ihr selten mehr als eine Herumtreiberin und Bettlerin sehen, andererseits an dem Unrat, der sich in den Straßen und Rinnsteinen häuft.
Siedlungen sind eine Gefahr und nur wenig bringt sie dazu, den Schutz der Göttin zu verlassen. Materialien, die sie unbedingt braucht, Nahrung, die in der Natur schwierig zu beschaffen ist. Das Verlangen, mit jemandem ihrer Art zu verkehren, auf eine einfache, wortlose Art, die nicht vieler Erklärungen bedarf.